In der zweiten Juni-Hälfte, bei den erstmals ausgetragenen Europa-Spielen in Baku, waren auch zwölf junge Sportreporter "Part of the Games". Zwei aus dem Gastgeberland Aserbaidschan und zehn von der AIPS und den Veranstaltern im Rahmen des AIPS Young Reporter Programms ausgesuchte Jung-Journalisten aus ganz Europa. Auch ein Österreicher war dabei, der unter über 40 Kandidaten in die "Top Ten" gewählt wurde und damit für mehr als zwei Wochen nach Baku reisen durfte - sein Name: Martin Schauhuber (Bild), 21 Jahre jung, Redakteur bei LAOLA1.at und Gewinner des SMA-Cioca-Cola-Nachwuchspreises 2015. Martin hat noch einen Urlaub in Aserbaidschan angehängt, jetzt hat er für uns aber seine Eindrücke (bitte weiter lesen) zu Papier gebracht. Wesentliche Erkenntnis: "Diese 17 Tage waren eine unglaublich weertvolle Erfahrung. Ich danke der AIPS und natürlich auch Sports Media Austria für die Möglichkeit, viel dazugelernt zu haben." Es gibt auch ein sehr nettes AIPS-YRP-Video auf youtube, das man sich anschauen sollte - der Link dazu: https://www.youtube.com/watch?v=KiYK1dmNrzU
Und hier geht´s zur Story von Martin - bitte "Weiterlesen" anklicken.
Learning by doing - 17 Tage voller Erfahrungen
Das AIPS Young Reporters Program bei den European Games in Baku war 17 Tage Dauerbelastung, 17 Tage Top-Sport, 17 Tage Emotionsüberladung, kurz: 17 Tage voller Erfahrungen.
Konkret sah das so aus: Zehn Uhr morgens Treffpunkt im Büro, etwa zwei Stunden frischer Theorie-Input, Besprechung des Vortags und Organisation des restlichen Tages. Dann in den Bus zu einer Sportstätte, dort mit der Deadline „so früh wie möglich“ eine Geschichte schreiben, teilweise parallel noch für den heimischen Arbeitgeber etwas produzieren.
Möglichst noch vor Mitternacht zurück in die Media Village - bis dahin gab es noch warmes Essen in der Kantine. Dann bis etwa drei Uhr früh mit den KollegInnen und etwas Gerstensaft den geschafften Tag feiern. Ab ins Bett, aufstehen, wieder von vorne.
Freunde des Kopfrechnens werden schon erkannt haben, dass der Schlaf etwas zu kurz kam. Freilich ging sich hie und da ein Nachmittags-Nickerchen aus, in den Shuttle-Bussen zu den Sportstätten (Reisezeit ca. 40 Minuten) war ohnehin Schlafenszeit.
Aber wer braucht schon Schlaf, wenn er stattdessen Dauerspannung haben kann? Gemeinsam mit meinen elf Kollegen aus Ländern von Kasachstan bis Irland machte ich jeden Tag unzählige neue Erfahrungen – wir lernten, was man bei einem Großereignis wie den European Games beachten muss, wie man die Geschichte findet, die sonst keiner sieht, wie man sich optimal vorbereitet, wie man schnell auf unerwartete Probleme reagiert, wie man mit Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen zusammenarbeitet und, und, und… all das auf die beste Art: Learning by doing.
Am ersten Tag musste ich ohne jedes Vorwissen zum Mountainbike-Bewerb. Vor Ort bei gut 35 Grad verzweifelt nach Wasser suchen, den beginnenden Sonnenbrand verfluchen, das Rennen verfolgen und die fällige Geschichte recherchieren – da nimmt man schon etwas für die Zukunft mit, und wenn es nur der Hass auf den Venue Manager ist, der beim Sonnenschutz geknausert hat.
Die Mentoren hatten konkrete Vorstellungen und Wünsche: Anfangs war das eine tägliche Geschichte, bald aber ging es schon um größere Storys. Klassische Ergebnisgeschichten waren von Tag eins weg verpönt. Der Fokus lag nach einer kurzen Einarbeitung schnell auf den journalistisch wertvollen Geschichten. Denen, für die man sich Zeit nehmen muss. Den Storys, für die man mit Menschen nicht nur sprechen muss, sondern sie auch wirklich kennenlernen muss. Den Ansätzen, die zuvor noch keiner gefunden hat. Den Geschichten, denen im Medienalltag oft zu wenig Bedeutung geschenkt wird. Auch den mutigen Geschichten, gerade in einem Land ohne Pressefreiheit.
Das war herausfordernd, aber auch unglaublich bereichernd. Am Schluss zählte jede Geschichte zu den schwierigsten unserer jungen Karrieren – sei es, weil der kosovarische Pressereferent sein E-Mail-Postfach phasenweise grob stiefmütterlich behandelt, sei es, weil man bei der Kritik an der olympischen Box-Korruption jedes Wort vier Mal prüfen muss.
Die Mentoren waren ein perfekter Mix aus Erfahrung und Jugend: Riccardo Romani, mit allen Wassern gewaschener Ex-Kriegsberichterstatter und Gazzetta-Redakteur war quasi der Chef des Programms. Mit einwöchiger Verspätung stieß der Malteser Charles Camenzuli hinzu, der nicht nur menschlich erstklassig ist, sondern mit vier Jahrzehnten im Sportjournalismus auch unglaublich viel Erfahrung mitbringt.
Die Serbin Sonja Nikcevic war vor einigen Jahren selbst noch Young Reporter, nun arbeitet sie für AIPS und UEFA. In Baku war sie das perfekte Bindeglied zwischen Riccardo, Charles und uns YRs. Die Nummer vier im Team hieß Arnold Ntambi, kam aus Uganda und hatte ebenfalls YR-Vergangenheit. In Baku war der selbsternannte Selfie-König der Kameramann für die Video-Beiträge, die nach dem Rotationsprinzip jeden Tag ein anderer YR produzierte.
Vor allem dieses Quartett machte das Young Reporters Program zu einer unglaublich wertvollen Erfahrung. Einer Erfahrung, die man in unserem Alter (ich war unter 12 YRs der drittjüngste, das Durchschnittsalter lag um die 23) sonst kaum machen kann.
Am Ende derartig intensiver Phasen ist man ja normalerweise froh, dass sie vorüber sind. In Baku? Weit gefehlt. Von mir aus hätten die Games gerne noch ein paar Wochen dauern können; ob mein Körper so lange mitgemacht hätte, steht auf einem anderen Blatt.
Unterm Strich steht für mich aber nicht nur ein riesiger beruflicher Schritt, die Zeit war auch menschlich eine enorme Bereicherung. In dieser zweiwöchigen gemeinsamen Ausnahmesituation entstanden auch tolle Freundschaften und ein Netzwerk, das von Valletta bis nach Tallinn, von Athen bis Almaty und von Sofia nach Lausanne reicht.
Kurz: Danke SMA, danke AIPS, danke EOC!
Martin Schauhuber